Einreicher: Bernhard Hampel, 97072 Würzburg

Winter 1943 in Freiheit


Eine Peinlichkeit vor dem, "Feind"

von Bernhard Hampel

Es wurde im November 1943 schon im letzten Novemberdrittel schnell Winter. Es schneite tüchtig. Das bedeutete für uns Kinder natürlich auch, dass wir die Ski, natürlich sagten wir "Bratlan", aber nachdem wir auch Kinder unter uns hatten, die das Paurische nicht so richtig beherrschten, sagten wir "Skier", wobei das i und das e ein wenig getrennt gesprochen wurde. Man war nach dem letzten Winter wieder ein Stück gewachsen, das merkte man an den etwas enger gewordenen Skihosen und die Skischuhe waren "genau passend", die Maßarbeit von meinem Vater wuchs ja nicht mit!

Nach einigen Tagen des "Proberutschens" auf verschiedenen Wiesen war man wieder auf etwas Anspruchsvolleres im Freiheiter Umland aus. Auch die "Stuka-Bahn" oberhalb der Freiheiter Kirche war nicht mehr das Richtige. Einige von unserer Clique fanden heraus, dass man eine größere Geschwindigkeit erlangt, wenn man das Terrain der Turnerschanze dazu benutzt.

An einem Wochenende so um den Nikolaus herum, die größeren Burschen hatten die große Schanze wie auch die kleine für den Nachwuchs schon aufgebaut, waren einige von uns so Acht- bis Zwölfjährigen schon dabei, den Anlauf zur großen Schanze zu nutzen, aber nicht über die Schanze zu springen, dazu hatten wir zu viel "Schiß", sondern an ihr vorbeizufahren. Unterhalb der Schanze bekam man dann im stark abfallenden Rand eine ziemlich große Geschwindigkeit, so, dass die Skihosen ein wenig flatterten. Der Auslauf stieg etwas an und vor der Straße nach Johannisbad konnte man dann gut abschwingen.

Wir waren an dem frühen Nachmittag schon ein- oder zweimal aufgestiegen, da kam einer von uns auf den Gedanken, wir könnten doch auch mal auf der kleinen Schanze springen, nicht nur immer runterfahren. Aber das war schon eine Herausforderung! Man war ja nicht ganz unbeleckt, denn auf den Wiesen hatte man schnell eine Schanze gebaut, dazu brauchten wir keine Schaufel, das wurde mit den Ski gemacht. Aber selbst die kleine Schanze war für uns recht groß, sie schüchterte ein! Die Großen von unserer Truppe waren schon einmal gesprungen, das Wie wurde ja an diesem Tag nicht bewertet. Es kam der Moment, an dem ich dran war. Ich gehörte noch zu den Kleineren, es war meine Schuld, denn ich fühlte mich immer zu den Großen hingezogen. Einer rief: "Los, Hampala", jetzt spring!“

Der Anlauf zur kleinen Schanze war etwa 30 Meter, aber halt sehr steil. Ich stand oben und hatte schon das Herz in der Hose, als ich die Neigung wahrnahm! Da sehe ich drüben auf der Straße nach Johannisbad eine Gruppe gefangener Engländer laufen, bewacht von einem deutschen Soldaten. Die Engländer nahmen von mir Notiz und blieben auf der Straße stehen. Das Drama nahm seinen Lauf, jetzt konnte ich nicht mehr zurück. Diesen Feinden werde ich es zeigen! So hat man damals empfunden.

Ich sprang in die Spur und sauste auf die Schanze zu und flog so etwa 12 bis 15 Meter weit, konnte natürlich den Sprung nicht durchstehen, stürzte und rauschte den ganzen Auslauf, mich mehrmals überschlagend, hinunter. Das war für mich überhaupt kein Problem. Stürze der verschiedensten Art steckte man weg. Aber was mich besonders schmerzte, war das für mich hundsgemeine Gelächter der "Feinde", der Tommys, so hießen die Engländer damals. Die schlugen sich auf die Oberschenkel und konnten sich überhaupt nicht beruhigen. Ich hatte einen großen Zorn auf mich. Ausgerechnet ich musste unseren "Feinden" so ein Schauspiel bieten. Ich hatte wirklich keine guten Gedanken an sie!

Ich wusste damals noch nicht, dass ich die Rache für die Schadenfreude der Engländer noch genießen kann. Im April 1945 kamen die Russen durch Freiheit. Nicht wie erwartet aus dem Gebirge, von Grenzbauden her, sondern aus der Richtung von Trautenau. Es wurde ja nicht mehr geschossen und auf dem Freiheiter Ringplatz hatte der "Einmarsch" der Russen viele, sehr viele Zuschauer! Unter ihnen befand sich auch der einstmals sehr gedemütigte Freiheiter Junge, den viele "Hampala" nannten. Außer Freiheitern und Fremdarbeitern waren auch mehrere englische Kriegsgefangene, die natürlich keine Gefangenen mehr waren. Sie johlten und freuten sich natürlich und klatschten mit erhobenen Armen den Befreiern zu. Dabei war es nicht zu verhindern, dass ihre Uniformärmel zurückrutschten und dadurch die zum Teil sehr gepflegten Armbanduhren sichtbar wurden. Das blieb natürlich den Russen nicht verborgen. Ein Laster stoppte, mehrere Soldaten sprangen ab und ehe sich die Tommys besinnen konnten, waren sie ihre Uhren los! In unmittelbarer Nähe stand "Hampala" und jauchzte innerlich! Das war die Rache für den Applaus für meinen misslungenen Sprung auf der Freiheiter Turnerschanze. Die Engländer schauten ziemlich bedröppelt und das kleine "Hampala" war´s zufrieden!

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