von Bernhard Hampel
Am Weg von Freiheit nach Marschendorf
I kam man nach dem Pfeiffer-Tischler auf der linken Seite an einer Schmiede
vorbei, dem Fischer-Schmied. Ein Kleinbetrieb aber ungemein wichtig!
Im Parterre des Hauses, an der hinteren Wand, stand sein Ofen, in der Fachsprache
dieses Handwerks heißt es wohl "Esse", in der in kürzester
Zeit ein Eisenteil, ein Hufeisen, ein Wagenreifen, eine Achse, ein großer
Nagel oder eine große Bauklammer weißglühend gemacht werden
konnte, um es in Form zu schmieden.
Herr Fischer, ein älterer Herr mit weißem Oberlippenbart und einem
schon etwas glänzenden Schlapphut, trug eine schwere, ebenfalls glänzende
Lederschürze, die fast bis an die hohen Arbeitsstiefel reichte und den
Körper auch um das Hinterteil umschloss. Es ist klar, wenn das Werkstück,
das hellrot aus dem Feuer kam und auf dem, eher in der Mitte des Raumes stehenden,
Amboss geschmiedet wurde, sprühten die Funken in alle Richtungen. Dagegen
musste sich Herr Fischer natürlich schützen. Besonders beeindruckten
mich die Klänge, die weit auf die Straße hinaus zu hören waren,
wenn der Fischer-Schmied und sein Geselle ein größeres Stück
Eisen in eine bestimmte Form bringen wollten. Das Ging-Gong von dem einen und
das Pang-Päng vom Gesellen vermischten sich zu einer Art Musik. Wir Kinder
durften natürlich nur aus gehöriger Entfernung zuschauen! Es war für
uns, besonders für mich, faszinierend.
Der Umgang mit dem Werkstück war nicht das einzige, was meine Neugier rechtfertigte.
Wer in den Kriegsjahren ein Auto besaß, musste es hergeben. Es musste
"einrücken" wie die Menschen. Ausnahme in unserem Städtchen
war der Richter-Frächter, heute würden wir sagen der Richter-Spediteur.
Sein Lkw war wohl auch nicht mehr kriegstauglich. Er fuhr auch für unser
Geschäft Säcke mit Schuhen, die repariert werden mussten und die wir
nicht schaffen konnten, nach Nachod in eine Schuhfabrik.
Da kamen die Pferde wieder zu Ehren. Es gab im Städtchen Pferde in allen
Papierfabriken, auch bei der Firma Wachs-Steffan. Bei Fortschreiten des Krieges
hatten auch die Lazarette in Johannisbad Pferdewagen, winters Schlitten. Kohle
und alle Versorgung besorgten Pferde. Der Fischer-Schmied hatte also viel Kundschaft.
Pferde mussten ja in bestimmten Abständen beschlagen werden. Das war sehr
spannend!
Zuerst wurde das abgelaufene Eisen vom Huf entfernt. In der Folge wurde mit
einem besonderen Messer die Sohle des Hufes glatt geschnitten, auch hantierte
Herr Fischer mit einer groben Raspel um zu ebnen. Dann kam der Geselle und brachte
das glühende Hufeisen mit einer Zange. Herr Fischer stellte sich neben
das Pferd mit Blick nach hinten und auf ein Kommando, das kurz und hart klang,
hob das Pferd das Bein, Herr Fischer schob sein Knie unter den Huf und drückte
das noch glühende Eisen auf den Huf, dass es nur so zischte und der beißende
Rauch vom verbrannten Horn stieg auf und beleidigte die Nasen von uns Kindern.
Ich rieche es heute noch!
Wenn das Eisen passte, wurde es mit sechs Nägeln angenagelt. Ich konnte
nicht verstehen, dass diese Prozedur dem Pferd nicht weh tat, wenn glühendes
Eisen auf den Huf kam. Mama gab Aufklärung! Nach dem Beschlag wurden die
Hufe noch mit schwarzer Schmiere, wohl eine Art Fett, bestrichen und die Pferde
hatten wieder neue Schuhe an den "Füßen".
Die Schmiede war für uns Kinder immer interessant, zumal wir täglich
an ihr vorbeigingen, denn die Freiheiter Schule war Lazarett geworden und die
Kinder mussten nach Marschendorf I laufen, öfters auch noch zwei Stunden
an den Nachmittagen. Der Fischer-Schmied stand bei uns Kindern hoch im Kurs,
er beeindruckte uns, nicht zuletzt wegen seinem Äußeren. Am 19. März
feiern die Josefs, in unserer Heimat waren es die "Sefflan", ihren
Namenstag. An diesem Tag strömten wir, aus der Marschendorfer Schule kommend,
in die Schmiede und gratulierten vielstimmig zum Namenstag. Herr Fischer hat
vermutlich erst durch die vielen überraschend auftretenden Gratulanten
erfahren, dass er Namenstag hatte. Er lachte herzlich und freute sich sehr.
Zuhause angekommen, wurde von der guten Tat berichtet.