Mein Feriendomizil Brettgrund – "Braatgrund"

von Bernhard Hampel, früher Freiheit

Brettgrund, unterhalb von Schatzlar gelegen, war ein kleines, langgezogenes Dorf. Eine größere Fabrik, die Firma Reimann (Holzverarbeitung), die viele Arbeitsplätze bot und auch das Sägewerk, die "Braatsaache", von Großvater Kirsch ganz am Ende des Dorfes, kurz vor Krinsdorf gelegen, waren dort seit ewigen Zeiten angesiedelt. Natürlich auch einige kleinere Handwerksbetriebe und zwei Gasthäuser. Eines davon bot auch Übernachtungsmöglichkeit. An diesem idyllischen Fleckchen durfte ich alle Jahre einige Wochen meiner Sommerferien verbringen.

Das ganze Areal mit dem Gatter in einer langgezogenen Halle, einem Wohnhaus mit einem Nebengebäude und einer größeren Scheune, unter der sich eine Remise für die Langholzfahrzeuge und einem Einspänner befand, war etwas abgelegen und nur durch eine verhältnismäßig schmale Zufahrt zu erreichen. Von der Straße von Schatzlar nach Krinsdorf waren sie kaum zu sehen. Die "Braatsaache" war fast ganz von Wald umgeben. Im Stall standen zwei Pferde, der Fritz und die Liese. Fritz braun und blonde Mähne, Liese ganz und gar schwarz, drei Kühe und Ziegen.

Der Fritz und die Liese wurden gebraucht für das Heranschaffen der Baumstämme. Ich bleibe heute noch bei jedem arbeitendem Sägewerk stehen, weil immer ein ganz starker Geruch von frisch geschnittenem Holz in der Luft liegt. Nur, die Technik, die heute in jedem Sägewerk zur Verfügung steht, war natürlich nicht vorhanden. Alles war reine Handarbeit, die langen Stämme wurden von "Fritz und Liese" herbeigeholt, mal von näher, mal von weiter her. Der Kutscher von Großvater hieß Gustav und der war zuständig für die Holzbeschaffung. Großvater Kirsch arbeitete mit seinen Söhnen, meinen Onkels Alfred und Pep, von früh bis abends. Einen Acht-Stunden-Tag gab es damals sicher nicht. Als Zusatzkraft arbeitete noch Herr Fuckner aus Krinsdorf. Als die Onkels in den Krieg mussten, wurde die Arbeit von gefangenen Franzosen gemacht, die unbewacht in einem kleinen Häuschen neben dem Sägewerk an der Straße nach Schatzlar wohnten. Das Ganze wurde "bewacht" von dem großen Jagdhund "Treff", braun-weiß gefleckt, mit hängenden Ohren. Er ging mit Großvater und einigen anderen Brettgründern (Bürgermeister, Wirt, Unternehmer Reimann) auf die Jagd.

Die Ferien in Brettgrund waren still und ruhig, nie langweilig, immer in den Ohren das ganz gleichmäßige chchch chchch chchch des Gatters, manchmal unterbrochen von dem lauten Kreischen der Säge, mit der die Bretter gesäumt wurden, um dann auf einem der Stöße abgelegt zu werden. Für einen Kerl, der aus der "Großstadt Freiheit" kam, war das Leben mit Pferden, Kühen, manchmal mit Rehen, mit Beeren, Pilzen und Vögeln vor der Tür hochinteressant!

Ab und zu, wenn außer mir noch anderer Besuch anwesend war, z. B. jemand von der Familie Nowotny, die ein Modehaus in Schatzlar betrieben, nahm Großmutter Kirsch den Schirm einer Petroleumlampe, sperrte den "Treff" in den Pferdestall und gab einige ganz besondere Töne in Richtung Waldrand von sich. Es dauerte gar nicht lange, kam vom oberen Waldrand langsam, die Lage sichernd, ein Reh, es folgte ihm ein zweites, erst recht vorsichtig, dann zielstrebig, auf Großmutter zu. Sie hatte schon ein Schmankerl bereit, zerdrückte Kartoffeln versetzt mit Getreidekörnern. Die Rehe ließen sich beim Fressen streicheln, sicherten aber immer ihr Umfeld. Selbst das Geräusch der Kamera wurde registriert (Foto)!

Großmutter erreichte beim Großvater, daß, es war zumindest ihr Wunsch, nicht auf diese Rehe geschossen wird. Beide bekamen ein rotes Halsband und über die Jägerschaft von Schatzlar/Brettgrund wurde verbreitet, daß Rehe mit einem roten Halsband geschont werden sollen. Trotzdem, die Rehe kamen nach diesem Ereignis noch zwei- oder dreimal. Dann blieben sie aus …

Schon im Juni 1945 mußte Großvater Kirsch mit Großmutter und Tante Liesel mit dem Rucksack gehen. Erst nach Jungbuch in ein Gefangenenlager, bewacht von tschechischen Soldaten, dann in die Lausitz, in die Gegend von Muskau. Heute steht von Brettgrund noch weniger als ein Drittel. Schon 1946 wurden die meisten Häuser abgerissen, man war der Meinung, daß, wenn die Deutschen eventuell doch zurückkommen, sollten sie keine Bleibe mehr vorfinden. Heute kommt die Natur zurück. Straßen und Wege werden schmäler, weil sie nicht mehr begangen werden. In einer Generation weiß niemand mehr, was in diesem kleinen Dörfchen einmal alles geschehen ist.

 
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