Quelle:"Ein lustiger Ausflug" – Winter 1996 –

Freiheit

von Antonin Tichý

Es war der Goldgräberrausch gewesen er hatte seinen Höhepunkt im östlichen Riesengebirge vor allem im Rehorngebirge (Rychory) am Anfang des 16. Jahrhunderts erreicht. Er ließ die Bergarbeitersiedlung am Fuße der beiden mächtigen Berge, dem Schwarzenberg (Cerna hora) und dem Forstberg (Svetla hora) entstehen. Ihren Namen Freiheit an der Aupa (Svoboda nad Upou) hatte die Siedlung dem Umstand zu verdanken, daß die Schürfungen hier frei betrieben werden konnten.

Bis zur Fertigstellung der neuen Straße von Trutnov (Trautenau) nach Pec pod Snezkou (Petzer) im Jahre 1981, fuhren Tausende Touristen durch das malerische Innenviertel von Svoboda nad Upou, wenn sie die Gebirgszentren Pec p. Sn. (Petzer), Mala Upa (Kleinaupa) und Janske Lazne (Johannisbad) besuchen wollten. Es ist eines der jüngsten Bergstädtchen in der ganzen Umgebung. Die erste schriftliche Erwähnung seiner Existenz ist das Privilegium Ferdinand des Ersten aus dem Jahre 1546. Dieses erhob die Siedlung zum Marktflecken mit den Rechten aller Bergstädte in Böhmen, erteilte ihr gleichzeitig auch das Wappenrecht: Einige Wappen können Sie noch in unveränderter Form an der Frontseite bedeutender Gebäude sehen.

Der Tumult der Goldgräber verstummte in der Zeit, als der Herrschaftsbesitz Vlcice (Wildschütz), zu dem Svoboda bis zur Abschaffung der Leibeigenschaft gehörte, im Besitz des reichen Geschlechtes der Schwarzenbergs war. Das armselige goldene Scherflein ersetzte zuerst die aufreibende Arbeit der Hausweber. Im vergangenen Jahrhundert folgte dann der geradezu schroffe Aufstieg der Industrie, vor allem der Papierindustrie in dieser Gegend Die Zeit selbst sorgte für das Entstehen eines Verwaltungs- und Geschäftszentrums. In der letzten Zeit kam die Bevollmächtigung der tschechischen Regierung, den östlichen Teil des Riesengebirges staatlich zu verwalten. Sie alle, die Sie ohne eine gewisse Aufmerksamkeit durch Svoboda fahren, um so schnell wie möglich inmitten der höchsten Berge Böhmens zu sein, die Sie aber nicht nur "besuchen" sondern auch "kennenlernen" wollen, nehmen Sie bitte, meine Einladung an. Eine Einladung zu einer Rundfahrt, so wie sie die Fiaker um die Jahrhundertwende anzubieten wussten. Sie wird Sie zwar um einige Minuten berauben, doch dafür um eine ganze Menge Erlebnisse bereichern. Die symbolische Rundfahrt beginnt dort, wo die Bahngleise enden. Bei der Bahnhofsausfahrt und Bushaltestellen biegen Sie also nach links ab, falls Sie die Konditorei und Kaffee "Helena" nicht zum Einkehren verleitet, überqueren Sie die Aupa auf der sorgfältig rekonstruierten, eisernen Brücke. Erbaut wurde sie im Jahre 1898, gerade 1 Jahr nach einer der größten Überschwemmungen des vergangenen Jahrhunderts. Diese Überschwemmung hatte die vorher aus Stein gebaute Brücke weggerissen. Die Brücke stand an dieser Stelle, wie nachgewiesen wurde, schon im Jahre 1553. Die heute längst nicht mehr benützte Technologie mit Nieten macht daraus ein interessantes technisches Denkmal. Ihre strengen geometrischen Umrisse sind ein Gegenstück zu den weichen Linien der Statue des tschechischen heiligen der Barockzeit, Johannes von Nepomuk, dessen Name auch die hiesige katholische Kirche trägt, gegründet von husitischen Predigern noch vor dem Jahre 1584. Der mit einem Kupferdach bedeckte Turm mit seiner Uhr steht nur einige Schritte weiter vor Ihnen. Sie kommen nun an einem Gebäude im Bäderstil vorbei, das reich mit Stukatur verziert ist. Darin befinden sich Einrichtungen des Gesundheitswesens. Dann werfen Sie vielleicht eine Ansichtskarte, bestimmt für Ihre Freunde, in den Briefkasten an der Post und schon sind Sie auf dem Male namesti (Kleiner Marktplatz), bei einer technischen Kuriosität, einer kleinen meteorologischen Station, einem Wetterhäuschen aus den dreißiger Jahren. Nun biegen Sie nach rechts ab. Vor Ihnen befindet sich die Straße 5. kvetna (des 5.Mai), von jeher die Hauptstraße der Stadt, die sich zur lauten und pulsierenden Geschäftsstraße entwickelt. Früher einmal, vor vielen Jahrzehnten säumten die Straße zu beiden Seiten Holzlaubenhäuser, deren Giebel zur Straße gerichtet waren. Eben solche Häuser finden Sie heute noch in Vrchlabi. Erst zum Ende des vergangenen Jahrhunderts ersetzten dann gemauerte Bürgerhäuser, mit Geschäften im Erdgeschoss diese Holzhäuser. Die vergangenen 3 Jahre (seit Ende 1989) trugen dazu bei, dass neue Besitzer für einen angenehmeren, fröhlicheren Anblick sorgten. Da sind nun bunte Aushängeschilder und geradezu verführerisch arrangierte Auslagen. Hier finden Sie das reichste Warenangebot. Schuhmacher, Friseur, Kosmetik, Massage. Das Interesse der Unternehmer, in unserer Stadt ihr Glück zu versuchen, steigt ständig. Diesbezüglich unterscheidet sich Svoboda nicht viel von anderen Städten in der Umgebung. Darüber hinaus aber können wir Ihnen hier unsere ruhige Atmosphäre mit einem Siegel der Vergangenheit anbieten, wo alles noch etwas menschlicher ist.

Liebhaber historischer Gebäude werden gewiss in der Straße 5. kvetna das Bürgerhaus aus dem 18. Jahrhundert entdecken. Es ist im Rokokostil erbaut, mit einem Satteldach und einer Frontseite, die durch toskanische Pilaster geteilt ist. Es ist das Haus mit der Nummer 107. Hier übernachtete im September des Jahres 1779 (im preußisch-österreichischen Krieg) seine Hoheit Kaiser Josef der Zweite, als er auf einer Inspektionsreise der Schlachtfelder war. Kenner werden gleich daneben die Apotheke zu schätzen wissen, ausgestattet mit Elementen des späten Klassizismus. Mit einiger Phantasie kann man sich die leuchtenden Farben der Fassaden auch bei den Häusern vorstellen, die noch auf eine Restaurierung warten Doch da begrüßt Sie schon der Platz namesti Svornosti ( Platz der Eintracht) mit der typischen Silhouette des ehemaligen Rathauses, der ehemalige Platz der Jahr- und Wochenmärkte. Hier teilt sich nun der Weg rechts in Richtung Marsov (Marschendorf) und weiter dann nach Pec und nach Mala Upa, links nach Janske Lazne (Johannisbad). Janske Lazne der berühmte Kurort gehörte bis zum Jahr 1867 als Stadtteil zu Svoboda. Einige Promenadenwege verbanden die beiden Orte. Bis heute lockt die Alle hundertjähriger Linden, an der Forstwirtschaftsschule vorbei, zu einem Spaziergang. Im Rathausgebäude, erbaut im Jahre 1869 an Stelle des alten hölzernen Gebäudes, ist heute ein Kino. Die Gemeindeverwaltung ist im Nebenhaus untergebracht, das die Brüder Etrich, hiesig altansässige Bürger, zum Ende des vergangenen Jahrhunderts der Stadt geschenkt hatten. Sie waren Eigentümer einiger Textilfabriken in der weiteren Umgebung. Aus ihrer Familie stammte auch der Pionier des Fliegens, Konstrukteur der "Taube", Igo Etrich. Das Gebäude der Sparkasse in nächster Nachbarschaft hat ebenfalls beinahe eine hundertjährige Tradition.

Falls Sie die malerische Umgebung mit den Möglichkeiten für Fußwanderungen, aber auch Skiausflügen zu einem längerem Aufenthalt verführt, besorgt Ihnen das hiesige Reisebüro "Krkonose" sicher eine angenehme Unterkunft. Mehr als 50, größtenteils private Pensionen stehen zur Verfügung. Die Möglichkeit hier Unterkunft zu bekommen, ist auch für die Besucher, die bis auf die Kammwege gelangen wollen, sehr vorteilhaft, denn von hier aus sind sie leicht zu ersteigen. Diejenigen, die schon wissen wie günstig es hier ist, nutzen im reichen Maße auch alle 12 Einrichtungen des Gastgewerbes, denn das hiesige Angebot ist des öfteren erheblich billiger und qualitätsmäßig besser, als in den Touristenzentren. Die Gastwirtschaft Narodni dum am Marktplatz ist eine davon und gemeinsam mit dem Restaurant Modrareka, Rychorka und Bar mit dem Kaffee Jitrenka, der Bar "Satelit" und noch weitere, freuen sich auf Ihren Besuch.

Ihr Auge wird auf dem ehemals rundum abgeschlossenen Marktplatz gewissermaßen einige Schönheitsfehler entdecken und zwar in Form zweier nicht gerade schöner Lücken. Am unteren Ende fehlt ein Haus im Fachwerkbau schlesischer Bauart, ehemals das bekannte Gasthaus Uposty (Zur Post) und an der Stelle, wo heute ein kleiner Park mit anschließendem Parkplatz ist, stand eine Gruppe von ursprünglichen, hölzernen Häuschen mit Laubengängen, Das Gasthaus und die Holzhäuschen wurden zu Anfang der sechziger Jahre etwas unüberlegt abgerissen. Was aber die Ratsherren aller Zeiten geradezu ehrt, ist die Tatsache, daß sie allen Bemühungen verschiedener radikaler Neuerer widerstanden, die steinerne Gruppe der Heiligen von ihrem privilegierten Platz am Marktplatz, verlegen zu lassen. Diese Bemühungen kamen schon Ende des 1.Weltkrieges auf und dauerten mit verschiedener Intensität über viele Jahre an. Dank der Ratsherren können wir uns nun bei der Heiligen Jungfrau Maria, dem Heiligen Florian und dem Heiligen Antonius es ist das geradezu zauberhafte Werk eines unbekannten, volkstümlichen Künstlers aus dem Jahre 1844 verabschieden.

Also gute Reise - und kehrt bei uns wieder ein!

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